Die drei Schönen von Berkenlatten

Es war der Amtmann aus Suckow, einer derer von Arnim, ein mächtiger Mann, der lange vor dem dreißigjährigen Krieg in dieser armen kargen Gegend seinen Reichtum anhäufte. Die Bauern flüsterten sich deshalb zu, dass es bei ihrem Herrn nicht mit rechten Dingen zugehen könnte. Schon das Sprechen über eine solche Möglichkeit löste grosse Angst aus, so dass die Bauern hart arbeiteten und ohne Murren jede Ungerechtigkeit einsteckten, denn ihre Vermutungen hatten vielleicht einen realen Kern. Eines Tages,

amtmannals der Amtmann gerade vom Besuch eines Vetters aus Groß Fredenwalde kam und seine Kutsche an der Kirche von Berkenlatten vorüber fuhr, geriet er trotz seiner Wut über das vergebliche Treffen in tiefes Nachdenken. Seine älteste Tochter wollte den armen Vetter heiraten. Das gefiel ihm nicht. Er wehrte sich seit Jahren gegen diese Heirat und konnte weder bei seiner Tochter noch bei den Vettern in Groß Fredenwalde auf Verständnis hoffen. Das Herz wurde ihm schwer. Jetzt gewahrte er einen dunkel gekleideten Mann auf dem Trittbrett. Der klopfte heftig an die Wagentür. Es war der Tod, der ihm sagte: „Komm mit!“ In dieser Stunde gilt dein Reichtum nichts. All deine Freude und Macht über alles, was dein ist, geht jetzt zu Ende. Du bist mein!“ Den Amtmann grauste es. Atemnot befiel ihn und er schärfte seinen Geist, denn er wollte sich noch etwas Zeit verschaffen. Seine Töchter waren noch nicht verheiratet, er hatte nie zugelassen, dass sie sich nach ihrer Wahl entschieden. Vor allem musste er verhindern, dass sich die Älteste diesem Habenichts an den Hals warf, dem sie sich seit langem heimlich versprochen hatte. Lass mich noch etwas leben, bat der Amtmann den Tod. Er sprach die Zauberformel des letzten Mittels und der Tod wich laut hustend einer stinkenden Wolke aus, in der ein feiner Herr mit einer langen Feder am Hut sichtbar wurde.
Der Amtmann hatte ihn gerufen, den feinen Herrn, den Teufel. Ihm hatte er Reichtum und Zauberkünste zu verdanken. In seiner Not war er endlich bereit, den Pakt mit ihm zu schließen, um den er den Bösen so lange betrogen hatte. „Du sollst meine Seele haben“, sagte der Amtmann, wenn du mir noch einige Jahre bei guter Gesundheit verschaffst.“ „Jetzt, lieber Amtmann“, sagte der Teufel liebenswürdig aber mit scharfer Zunge, bin ich an der Reihe, Bedingungen zu stellen. Du hast mich lange auf dein Versprechen warten lassen.“ „Was willst du noch von mir, da du doch meine Seele hast?“, fragte der Amtmann atemlos. „Sie ist leicht geworden, Amtmann, gib mir die Seelen derer, die dir entgegen springen, wenn dein Wagen in den Schlosshof einbiegt.“ Den Amtmann durchfuhr ein Schmerz und er versank in kurzes Nachdenken. Er suchte sich zu erinnern, wer ihm zuerst entgegen gesprungen kam, sobald seine Kutsche in den Schlosshof rollte.
Traurig musste er sich eingestehen, dass es schon lange nur sein treuer aber alt gewordener Hund Troll, seine dreibeinige Katze Mise Pupise und sein hinkender Pferdeknecht Erwin Spann waren, die ihm noch entgegen kamen, wenn seine Kutsche in den Schlosshof fuhr. Seine Frau war lange gestorben und die Töchter wollten nichts von ihm wissen. Hund, Katz und Knecht wollte er gerne für den Gewinn einiger Lebensjahre opfern und sich seinen Töchtern widmen, die wegen seiner Härte im Seitenflügel des Schlosses lebten und nur erschienen, wenn sie gerufen wurden.
Also schloss er den Vertrag und besiegelte ihn mit seinem Blut.
Auf dem Schloss aber hatten die beiden jüngeren Töchter der Ältesten endlich versprochen, ihr zu helfen, sich gegen den hartherzigen Vater durchzusetzen. Schließlich wünschten auch sie, zu heiraten und dachten nicht dran, sich vorschreiben zu lassen, mit wem sie ihr künftiges Leben zu teilen hätten. So nahmen sich die drei Mädchen vor, dem Vater mutig entgegen zu treten, um ihm zu sagen, dass er wählen könne, sie auf immer zu verlieren, oder sie nach eigenem Wunsche ziehen zu lassen. Schon von ferne hörten sie des Vaters Wagen über das holprige Pflaster rollen. Sie hatten sich, während der Vater in Groß Fredenwalde weilte, bräutlich geschmückt und eilten ihm entgegen. Sie standen auf der Brücke, die über den Schlossgraben führt, als der Kutscher von der Pflasterstraße in den Schlosshof einbog. Hier wollten sie den Wagen des Vaters aufhalten und ihn zwingen, sich zu entscheiden. „Halt!“ schrie der Amtmann. Zu spät. Die Jüngste war auf den Kutschbock gesprungen und die beiden Älteren rechts und links auf das Trittbrett. Sie öffneten die Tür noch während der Fahrt und fielen dem Vater zur Rechten und Linken tot in die Arme. Auch die Jüngste, der Kutscher hatte ihr hilfreich die Hand gereicht, war tot an dessen Seite gesunken. Der unglückliche Amtmann liess seine Töchter in Berkenlatten, dem Ort, an dem ihm der Tod erschienen und er den Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte, begraben. Mit ihnen begrub er auch seinen Reichtum und bat den Tod, ihn zu erlösen. Der aber ließ auf sich warten. So musste der Amtmann noch erleben, dass sich der junge Bräutigam seiner Ältesten an der Friedhofsmauer erschoss. Noch viele hundert Jahre zeugten dunkle Flecken neben der Eingangspforte von seinem schmerzlichen Tod. Schließlich wurde die Gegend nach Dürrejahren wüst und die Kirche verfiel. Vom Ende des Amtmanns jedoch fehlt jede Kunde. Einst kam in jüngerer Zeit ein Pfarrer in einer warmen klaren Vollmondnacht fröhlich bezecht um die zwölfte Stunde von der Kindtaufe einer Verwandten an der wüsten Kirche vorbei. Von seiner Kutsche aus sah er das Kircheninnere hell erleuchtet. Er ließ den Kutscher halten, stieg aus dem Wagen und ging, sich bedächtig bekreuzigend, auf den Friedhof. Dort sah er durch die Fensteröffnung drei schöne, bräutlich geschmückte Mädchen andächtig tanzen und singen, doch konnte er sie nicht hören. Deshalb rief er: „Alles, was mit Gott getan ist, ist wohl getan.“ Plötzlich waren die Erscheinungen verschwunden. Der Vollmond schien wieder hell und klar und verbreitete eine große Stille über der Gegend. So haben die Mädchen vielleicht ihre Ruhe gefunden, denn der Kirchhof wird wieder betrieben und die Menschen gedenken derer, die gestorben aber nicht vergessen sind.
Auch die Störche nisten auf dem Giebel der Wüsten Kirche und geben dem Ort des Todes die Hoffnung der Wiedergeburt.
Neu erzählt und illustriert von Brigitte Martin
Quelle: Wochenendbeilage zum „Templiner Kreisblatt“ Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang